SPIEGEL ONLINE - 27. Dezember 2000, 11:34
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Toulouse
 
Kulinarische Höhenflüge

Von Hilke Maunder

Toulouse, la ville rose. Toulouse, die rötliche Stadt. Wenn das Licht des Tages über die Fassaden und Dächer der Großstadt am Bogen der Garonne gleitet, scheint die Stadt im Feuer des Südwestens zu brennen.

Nachts bringt künstliche Beleuchtung Licht ins Dunkel der Geschichte - erzählt in den Gemälden der Arkaden an der Place du Capitole. Als das Areal vor dem Rathaus neu gepflastert wurde, beauftragte die Stadt den Künstler Raymond Moretti, ein 20 Tonnen schweres Kreuz des Languedoc anzufertigen. Im Licht der Abendsonne erstrahlt das Bodenmotiv aus Bronze als leuchtender Stern.

Sprichwörtlich: Toulouse, die rötliche Stadt
Hilke Maunder
Sprichwörtlich: Toulouse, die rötliche Stadt
Klein und fein, gestickt und gedruckt, wurde der Stern zum Synonym für Spitzenhotellerie: im "Grand Hôtel de l'Opéra". Geradezu verschwenderisch schwelgt das erste Haus am Platze im Farbenrausch. Blau und Gold die Bar, kaminrot oder sonnengelb die Zimmer. Über jedem Bett das Bildnis einer Frau, der Größe der Schlafstätte angepasst. Auf dem Gelände, jedoch nicht zum Hotel gehörig, liegen die "Jardins de l'Opéra", das bekannteste Gourmetrestaurant der Stadt.

Auch wenn Dominique und Maryse Toulousy einen der beiden Michelin-Sterne abgeben mussten, bleibt ihre traditionelle Toulouser Kochkunst mit Zucchiniblüten auf Austern oder geschmortem Zicklein ein Hochgenuss. Auf der anderen Seite der Garonne gibt sich Gerard Garriques vom "Le Pastel" ähnlich traditionell. Seine Interpretation regionaler Spezialitäten ist Michelin-Testern seit Jahren stets einen Stern wert.

Die älteste Brücke der Stadt, Pont Neuf genannt, führt zurück zur Rue Metz. Bus um Bus staut sich auf der Hauptschlagader der Stadt zum Esquirol, Bindeglied zwischen Bus und Bahn. 1993 nahm die erste Metrolinie ihren Verkehr auf, 2007 soll die zweite Linie folgen. Wasserstraßen, Brücken und Schleusenanlagen des "Canal du Midi", von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt, werden restauriert. Industriegebäude, Handelshäuser und Bürgervillen aus dem letzten Jahrhundert ließ Bürgermeister Dominique Baudis zu Konzertsälen, Galerien, Museen und Archiven umbauen.

In den Abattoirs, den einstigen Schlachthöfen der Stadt, zeigt das Museum für Moderne Kunst 2000 Werke zwischen Expressionismus und Arte Povera. Venezianische Redouten von Guardi und Canaletto im ersten Stock, darüber Werke von Braque und Bonnart - mit diesem Spagat begeistert die "Fondation Bemberg" Besucher des Hôtel Assézat. Das Palais reflektiert den Reichtum der Renaissance. Möglich machte ihn eine unscheinbare Pflanze mit gelben Blüten - das Pastel oder Färberwaid.

Es lieferte ab 1463 den Tuchmachern Europas die damals meist verwendete Farbe: Blau. Die Händler, Pastellprinzen genannt, verewigten ihren schnellen Reichtum in Steinen, die himmelwärts wiesen: in Türmen aus Backstein, die nur eine Botschaft kannten - je höher, desto reicher.

Käsestand auf dem alten Wochenmarkt St. Cyprien
Hilke Maunder
Käsestand auf dem alten Wochenmarkt St. Cyprien
500 Jahre später gilt dies noch immer, wie die 55 Meter hohe Kopie der Trägerrakete Ariane V beweist. Das Wahrzeichen des Weltraumparks "Cité de L'espace", 1997 eröffnet, soll die führende Rolle des Mittelpunkts Okzitaniens auf dem Gebiet der Weltraumtechnik hervorheben: 2000 Quadratmeter faszinierender Einblicke ins All.

Der Traum vom Fliegen hat schon früh die Stadt geprägt. 1890 erhob sich Clément Ader mit seiner "Éole" hier zum ersten Mal in die Luft. Heute bildet die Clément-Ader-Halle auf dem Airbus-Gelände den größten und modernsten Montagekomplex Europas. Die Metallkonstruktion überspannt eine Fabrikhalle, groß genug für 277 Tennisplätze.

Für die kulinarische Betreuung der VIP-Gäste hat Airbus Sternekoch Michel Sarran verpflichtet. Den Erfolg seines Restaurants in der Stadt verdankt der 39-Jährige seinem Familiensinn. Seine Mutter Pierrette nahm den studierten Doktor in die Lehre, Bruder Patrick gestaltete die Inneneinrichtung, Ehefrau Françoise führt die Bücher, den erlesenen Hauswein von der Domaine du Bergerayre liefert sein Cousin aus der Gascogne, ein weiterer Cousin die Confits von Feigen und Trauben. So versorgt zaubert Michel ungewöhnlich kreative Kreationen, kulinarische Höhenflüge. Nicht als Scheibe vom Block, sondern als Bouillon serviert Sarran die Spezialität des Südens: Foie Gras, Gänsestopfleber.

Restaurant ''7, Place Saint Sernin'': Eingerichtet in den katalanischen Farben Gelb und Rot
Hilke Maunder
Restaurant "7, Place Saint Sernin": Eingerichtet in den katalanischen Farben Gelb und Rot
Die schweren Trüffel aus dem Périgord hüllt der Meister in Pute und Spinat, der Loup de Mer konkurriert Schicht um Schicht mit zartem Schinken und nussigem Spargel. Seine Zutaten ersteht der Sternekoch an den 100 Ständen des Marché Victor Hugo - Foie Gras bei Massat, Fische bei Bellocq, Käse bei Chez Betty. Und manchmal nascht er aus großen Schalen im Vorbeigehen "Fritons", knusprige Kugeln frittierter Entenhaut. Oder trifft sich beim Café mit Benoît Cantalloube.

Geboren in Perpignan, bietet der Doktor der Chemie und Physik in seinem Lokal "7, Place Saint Sernin" eine Küche, die mit kulinarischen Kontrasten spielt: dem ländlich-deftigen Erbe der Region und den maritimen Reminiszenzen seiner Heimat Katalonien. Seine Ergebnisse sind Erlebnisse: Hummersalat mit weißen Trüffeln, Rinderfilet in Sherry, Seezunge in Serrano-Schinken gewickelt. Nicht nur bei Stammgästen gilt das Saint-Sernin als heißeste Adresse für den nächsten Stern.

Michelins "Stern"stunden

"Michel Sarran"
21 Boulevard Armand Duportal
Tel. +33 5 61 12 32 32
Fax +33 5 61 12 32 33
E-Mail: MichelSarran@wanadoo.fr
Samstag/Sonntag Ruhetag

"Les Jardins de l'Opéra"
1, place de l'Opéra
Tel. + 33 5 61 23 07 76
Sonntag/Montag Ruhetag

"Le Pastel"
237, route de Saint-Simon
Tel. +33 5 61 40 59 01
Sonntag/Montag Ruhetag

Hotels mit Ambiente

Grand Hôtel de l'Opéra
1, place du Capitole
Tel. +33 5 61 21 82 66
Fax +33 5 61 23 41 04

Grand Hôtel Jean Jaurès
29, allées Jean Jaures
Tel. +33 5 61 62 62 33
Fax: +33 5 61 63 15 17

Hôtel des Beaux Arts
1, place du Pont-Neuf
Tel. +33 5 34 45 42 42
Fax +33 5 34 45 42 43
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